BFH Urteil vom 16.09.2020 Az. II R 1/18
Aus unterschiedlichen Gründen kann die Wertermittlung eines Grundstücks notwendig sein. Meist entsteht die Notwendigkeit durch Änderung der Eigentumsverhältnisse, sei es durch Verkauf, Schenkung, Zwangsversteigerung oder Erbfall. Im hiesigen Fall war Anlass des Rechtsstreits ein Erbfall. Der Kläger erbte ein Grundstück (885 qm), bebaut mit einem Altbau mit 18 Wohneinheiten. Infolge der Erbschaft erhielt der Kläger von dem Finanzamt einen Erbschaftssteuerbescheid. Hiernach sollte der Kläger einen nach §§ 176 bis 197 BewG berechneten Grundwert in Höhe von 4.867.500,00 Euro versteuern. Es wurde ein Bodenrichtwert in Höhe von 5.500,00 Euro/ Quadratmeter und ein Liegenschaftszinssatz in Höhe von 5,5 % angenommen. Der Kläger war der Meinung, dass der Wert des Grundstücks lediglich 1.900.000,00 Euro beträgt.
Grundsatz ist zunächst, dass der Steuerpflichtige die Nachweislast über den Wert des Grundstücks trägt. Er muss also beweisen, dass die Berechnung falsch ist und das Grundstück weniger wert ist. Dies gelingt ihm beispielsweise durch die Vorlage eines gerichtlich bestellten Sachverständigengutachtens, wenn das Gutachten die nötige methodische Qualität aufweist. Die Anforderungen ergeben sich im Wesentlichen aus den §§ 194 ff. BauGB. Daneben sind die WertV i.V.m. den Wertermittlungsrichtlinien i.d.F. der Bekanntmachung v. 1.3.2006 und die ImmoWertV, die die WertV ab dem 1.7.2010 abgelöst hat, zu beachten. Es ist nur die Gesetzeslage, die zum Bewertungsstichtag galt, zu beachten.
Das Finanzamt durfte den von ihm durch Sachverständigengutachten berechneten Bodenrichtwert für das gesamte Grundstück in Höhe von 5.500,00 Euro/ Quadratmeter von dem Kläger nicht versteuert verlangen. Der Kläger bekam somit recht. Der Fehler des Beklagten Finanzamtes lag unter anderem darin, einen einheitlichen Bodenrichtwert für das gesamte Grundstück berechnet zu haben, ohne die einzelnen Grundstücksbereiche zu beachten.
Der Wert eines Grundstücks berechnet sich grundsätzlich anhand von Vergleichswerten, Ertragswerten, Sachwerten oder mehrere dieser Verfahren, § 7 Abs. 1 S. 1 WertV. Bei Anwendung des Ertragswertverfahrens ist der Wert der baulichen Anlagen, insbesondere der Gebäude, getrennt von dem Bodenwert auf der Grundlage des Ertrags nach den §§ 16 bis 19 WertV zu ermitteln (§ 15 Abs. 1 WertV). Der Bodenwert ist in der Regel im Vergleichswertverfahren (§§ 13 und 14 WertV) zu ermitteln. Bei Anwendung des Vergleichswertverfahrens sind Kaufpreise solcher Grundstücke heranzuziehen, die hinsichtlich der ihren Wert beeinflussenden Merkmale (§§ 4 und 5 WertV) mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmen (Vergleichsgrundstücke). Finden sich in dem Gebiet, in dem das Grundstück gelegen ist, nicht genügend Kaufpreise, können auch Vergleichsgrundstücke aus vergleichbaren Gebieten herangezogen werden (§ 13 Abs. 1 WertV). Zur Ermittlung des Bodenwerts können neben oder anstelle von Preisen für Vergleichsgrundstücke auch geeignete Bodenrichtwerte herangezogen werden. Bodenrichtwerte sind geeignet, wenn sie entsprechend den örtlichen Verhältnissen unter Berücksichtigung von Lage und Entwicklungszustand gegliedert und nach Art und Maß der baulichen Nutzung, Erschließungszustand und jeweils vorherrschender Grundstücksgestalt hinreichend bestimmt sind (§ 13 Abs. 2 WertV). Bodenrichtwerte sind überdies geeignet, wenn sie für eine Bodenrichtwertzone ermittelt sind, in der das Grundstück liegt. Dann kann davon ausgegangen werden, dass das Grundstück nach seinen tatsächlichen Eigenschaften und rechtlichen Gegebenheiten, aufgrund gleicher Struktur und Lage im Zeitpunkt der Bodenrichtwertermittlung ein annähernd gleiches Preisniveau aufweist wie die Grundstücke, deren Lagewert für die Bestimmung des Bodenrichtwerts in dieser Zone herangezogen wurde (vgl. Vorwort zu den Bodenrichtwerten 1.1.2012, Geschäftsstelle des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in D – Vorwort – unter 1. Begriffsbestimmung).
Das Grundstück verläuft einseitig an einer Straße. Daher nahm der Beklagte den Bodenrichtwert für straßenseitige Grundstücke als Grundlage für das gesamte Grundstück (5.500 €/qm bei GFZ von 4,5). Nicht beachtet hatte er, dass der Straßenwert nur für einen Streifen des Grundstücks entlang der Straße gilt. Für den Teil des Grundstücks, welches weiter in die Tiefe verläuft, ist der Platzwert anzuwenden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes darf der Straßenwert nur für einen Streifen des Grundstücks entlang der Straße als Grundlage dienen (Straßenwert). Der andere, in die Tiefe verlaufende Teil des Grundstücks ist hingegen mit dem nach Bodenrichtwert-Nr. 2106 ermittelte Richtwert von 500 €/qm und einer GFZ von 2,0 (Platzwert) zu bemessen. In welchem Umfang das Grundstück jeweils dem Straßen- oder Platzwert zuzuordnen ist, ist im Rahmen einer Einzelbewertung (vgl. § 194 BauGB) zu entscheiden.