Radfahrer können unter bestimmten Umständen trotz eines vereinbarten Haftungsausschlusses von einem anderen Fahrradfahrer Ersatz des entstandenen Schadens verlangen.
A) Sachverhalt
Mehrere Personen führten eine sportlich angelegte Trainingsfahrt durch. Die Haftung für Schäden wurde durch vorherige Vereinbarung ausgeschlossen. Aufgrund eines Überholmanövers eines Trainingsmitglieds auf einem schmalen Weg kam es zum Sturz durch Berührung der Lenker. Der Kläger wurde durch den Sturz gegen einen Baum geschleudert und erlitt schwere gesundheitliche Verletzungen. Der Kläger verlangt nun von dem Trainingsmitglied, welcher das Überholmanöver durchführte, den Ersatz des entstandenen Schadens am Fahrrad sowie den Schaden durch Heilbehandlungskosten.
B) Schadensersatzanspruch
Das Recht auf Schadensersatz ergibt sich aus §§ 823 I, II BGB, 5 IV 2 StVO, 57 HGB aufgrund des Unterlassens des erforderlichen Sicherheitsabstandes. Der Beklagte hat dadurch die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen.
Der Beklagte verteidigt sich mit dem Mitverschulden des Klägers. Der Überholte hätte damit rechnen müssen, dass bei einer sportlichen Trainingsfahrt Überholmanöver stattfinden. Da der Überholte hätte wissen müssen, dass er jederzeit überholt werden könnte, hätte dieser nicht schwanken dürfen. Das Gericht hielt diesen Aspekt jedoch nicht für relevant.
Der von hinten kommende Radfahrer müsse nach Ansicht des Gerichts den Abstand zum langsameren Fahrradfahrer selbstständig abschätzen und einen angemessenen Sicherheitsabstand einhalten. Dies ist auch aufgrund der besseren Sicht des hinteren Fahrradfahrers über die aktuelle Fahrsituation richtig.
C) Haftungsausschluss
Meist vereinbaren Radgruppen einen Haftungsausschluss. Der Haftungsausschluss regelt, dass andere Radteilnehmer nicht für Schäden aufkommen müssen, die durch geringfügige Verletzung von Regeln verursacht werden. Es soll gerade kein Schadensersatzanspruch des Geschädigten entstehen. Hintergrund dieses Ausschlusses ist das typische hohe Risiko von Verletzungen bei Sportveranstaltungen. Eine Haftung soll durch leichte Regelmissachtung nicht vom Zufall abhängen. Diese Wertung ist auch auf andere Sportarten übertragbar.
Die Haftungsbeschränkung gilt aber dann nicht, wenn für den schädigenden Teilnehmer eine Haftpflichtversicherung eintritt. Da diesem dann kaum Nachteile zukommen, ist ihm die Schadensersatzpflicht, welche ohnehin die Versicherung trägt, zuzumuten.
D) Haftungsausschluss bei riskantem Überholmanöver
Der Haftungsausschluss gilt auch dann nicht, wenn sich der Schaden nicht durch das typische Trainingsrisiko realisiert. Zu dem typischen Trainingsrisiko erkennt die Rechtsprechung beispielsweise Schäden durch das Windschattenfahren sowie dichtes Nebeneinanderfahren in Gruppen an.
Im vorliegenden Fall überholte der von hinten kommende Fahrradfahrer während einer Bergabfahrt in hoher Geschwindigkeit auf einem schmalen Weg. Auf diesem Weg war knapp der Platz für zwei nebeneinander fahrende Fahrradfahrer da. Hinzu kam, dass zu dem Zeitpunkt des Überholens die Gruppe in einer ruhige Phase des Trainings auseinanderfiel. Eine besondere Konzentration der Fahrer war daher nicht zu erwarten, sodass es sich nicht um ein typisches „Trainings“ Risiko handelte. Ein Haftungsausschluss kam dem überholenden Fahrer daher nicht zugute.
Der von hinten kommende Fahrradfahrer handelte grob fahrlässig. Dieser gab im Prozess an, es sei eine Lenkerbreite Platz zum Überholen gewesen. Der Streckenabschnitt war abschüssig. Die Teilnehmer kamen daher auf rund 40 km/h Geschwindigkeit.
E) Zusammenfassung
Es kommt entscheidend auf zwei Fragen an. Eine Frage ist, ob ein vereinbarter Haftungsausschluss gilt. Handelt es sich um ein typisches Risiko einer Sportfahrt, so gilt der Haftungsausschluss. Wichtig ist zu beachten, dass sich die Fahrer in der aktuellen Situation tatsächlich im Trainingsmodus befinden und sich nicht lediglich ausrollen lassen.
Die zweite Frage ist, ob der Fahrer grob fahrlässig oder sogar vorsätzlich gehandelt hat. Dies ist der Fall, wenn der Fahrer durch sein Manöver die im Verkehr erforderliche Sorgfalt im besonderen Maß verletzt hat. Dies ist am jeweiligen Einzelfall zu bemessen.
Als Rechtsanwalt für Sportrecht berate ich Sie in jeglichen sportrechtlichen Streitigkeiten. Ich bin selbst als Läufer, Rennradfahrer und Motocrosssportler auf Sportveranstaltungen aktiv und kenne ich daher die Begebenheiten solcher Veranstaltungen.