Verkehrsrecht: Vorsicht bei der Auswahl des Ausbildungsmotorrads!

Achtung Fahrleher:

Nachfolgend ein höchst relevanter Fall für die Ausbildung zum Motorradführerschein. Es geht dabei um das richtige Maß bei der Auswahl eines Ausbildungsmotorrades im Zuge des Fahrschulunterrichts.
Das Oberlandesgericht Naumburg verurteilte einen Fahrlehrer zu Schadensersatz und Schmerzensgeld, da dieser ein ungeeignetes Motorrad für die Ausbildung verwendete und der Fahrschüler zu Schaden kam (OLG Naumburg, Urteil vom 7. Oktober 2022,8 U 61/22).

Was war passiert:

Ein Fahrschüler mit einem Körpergewicht von 82 kg und einer Körpergröße von 198 cm wollte den Motorradführerschein erwerben. Nach bestandener theoretischer Prüfung kam der Praxisteil. Für die Fahrstunden bekam der Fahrschüler vom Fahrlehrer das Motorrad, Yamaha Hyper Naked MT-07 ABS Moto Cage.

Bereits bei den ersten Bremsübungen war zu sehen, dass das Hinterrad vom Boden abhob. Als er Fahrlehrer den Fahrschüler anwies eine Vollbremsung zu üben, nahm das Übel seinen Lauf: Der Fahrschüler fuhr mit dem Motorrad los und machte bei einer Geschwindigkeit von ca. 30 km/h die angeordnete Vollbremsung. Dabei hob das Hinterrad des Motorrades ab und das Motorrad überschlug sich. Der Fahrschüler wurde auf die Fahrbahn geschleudert und blieb dort verletzt liegen.

Das Nachspiel:

Nach der Wiedergenesung machte der Fahrschüler Schadenersatz und Schmerzensgeld vom Fahrlehrer geltend. Er berief sich auf seine Ansprüche aus dem Ausbildungsvertrag (§ 611 BGB) in Verbindung mit § 280 BGB sowie auf § § 823 I, 253 II BGB.
Wie auch das Landgericht Halle im Vorfeld, hatte das Oberlandesgericht Naumburg dem Fahrschüler recht gegeben und den Fahrlehrer zur Zahlung verurteilt.

Während des Verfahrens wurde zunächst festgestellt, dass die Anordnung zur Vollbremsung grundsätzlich nicht zu beanstanden ist. Diese Übung ist sinnvoll, weil ihre Beherrschung im Ernstfall überlebensnotwendig sein kann.
Der Fahrlehrer hatte dem Fahrschüler jedoch fahrlässig ein Motorrad gegeben, dass sich im Verhäktnis zur Körpergröße des Fahrschülers (198 cm) als zu klein herausstellte. Bezogen auf die Körpergröße des Fahrschülers war der Radstand zu gering, wodurch der Schwerpunkt so hoch gelagert war, dass die Überschlagswahrscheinlichkeit kritisch erhöht wurde.

Was zu beachten ist:

Was die angemessenen Anforderungen an die Ausbildung eines Fahrschülers anbelangt, sind die Fahrschüler gewissenhaft auszubilden (§ 12 Satz 1 Fahrlehrergesetz). Das bedeutet nach der ständigen Rechtsprechung, dass der Fahrlehrer dem Fahrschüler keine Aufgaben stellen darf, die dieser nicht meistern kann, weil sie seinem Ausbildungsstand und seinen Fähigkeiten nicht oder zumindest noch nicht entsprechen. Andererseits muss der Fahrlehrer seinen Schüler an zunehmend schwierigere Verkehrsverhältnisse heranführen, um ihm die damit verbundenen Gefahren praktisch erleben und bewältigen zu lassen (Oberlandesgericht Nürnberg, NJW 1981, 1024).

Der Fahrlehrer hat somit bei jeder Ausbildungstunde aufs Neue zu beurteilen, was er seinem Fahrschüler zumuten kann, muss und darf. Dabei hat er auch auf das geeignete Material zu achten!

 

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